Nachhaltigkeit und Definitionen und Leitlinien für eine weltweite nachhaltige Energieversorgung

Aus gegebenem Anlass:

In letzter Zeit sind Anfragen zu Themen eingetroffen, die teilweise auch der aktuellen Tagespresse/Fachpresse zu entnehmen sind. Eine erste Antwort möchten wir nun auf unseren Seiten veröffentlichen.

Wir kennen die Diskussion um das „Konkurrenzspiel“ Nahrung vs. Biotreib- und Bioheizstoffe, Regenwaldrodung, Biodiversität, CO2-Freisetzung usw. Die zum Teil sehr oberflächlich geführten Gespräche/Diskussionen führen in der Regel selten zu einer Lösung. Im Gegenteil….

An diesen Gesprächen möchten wir uns als Ingenieurbüro nicht beteiligen. Beteiligen möchten wir uns an solchen Gesprächen, die definitiv auch Lösungen (es muss nicht immer eine technische Lösung sein) suchen und den Tatsachen sachlich „ins Auge“ blicken können.

Gerade wenn man sich mit dem Thema pflanzliche Öle zur energetischen Nutzung befasst, kommt immer wieder die Frage nach der Zerstörung des Regenwaldes. Nach dem Motto „bei uns prima Klima, tolle Maßnahmen zur CO2-Reduktion – und auf der anderen Seite der Erde wird massiv Brandrodung betrieben“. Gerne können Sie und Ihre Meinung zu den o.g. Themen schreiben.

Herzlichen Dank.

Historisches zur Nachhaltigkeit im Internet: Hannß Carl von Carlowitz mit seiner Sylvicultura Oeconomica

Wenigen ist bekannt, dass der Ursprung der Nachhaltigkeit („Sustainability“) mit dem Beginn der deutschen Forstwirtschaft Anfang des 18. Jahrhunderts zusammenfällt. Der sparsame Umgang mit der damals knappen Ressource „Holz“ und die Pflege des – wie man heute sagen würde: „Naturkapitals“ der Wälder war das Hauptanliegen des Berghauptmanns Hans Carl von Carlowitz (1645 – 1714) aus Freiberg in Sachsen. Da Holz im frühen 18. Jahrhundert zum Bauen, als wichtigster Energieträger und für viele vorindustrielle Produktionsprozesse gebraucht wurde, wurden Wälder abgeholzt, ganze Landstriche verödeten. Es gab damals weniger Holz als heute.

Von Carlowitz forderte eine Waldbewirtschaftung, das konsequente Aufforsten und eine „nachhaltende“ Nutzung, die als nachhaltige Forstwirtschaft schnell zu einem Fachterminus wurde. Nur so viel sollte eingeschlagen werden, wie wieder nachwächst. Was heute unter „nachwachsenden Rohstoffen“ – Biosprit und Biogas – modern klingt, Carlowitz hatte es am Beispiel des deutschen Waldes vorgedacht. Damit hatte er den Grundstein für die deutsche Forstwirtschaft gelegt. Carlowitz hatte sein Buch 1713, ein Jahr vor seinem Tod, auf der Leipziger Ostermesse veröffentlicht. Im Jahr 1732 kam eine Zweitauflage heraus, die weite Verbreitung fand und die erste Anleitung für eine Forstwirtschaft war, wie wir sie heute noch kennen. Fortan wurde er gehegt und gepflegt, der deutsche Wald.

Auf der Homepage der Hochschule Pforzheim steht von Carlowitz’ berühmte „Sylvicultura Oeconomica“ erstmals im Internet mit Originalauszügen zur Verfügung.
umwelt.hs-pforzheim.de

Quelle: http://www.infoholz.de, 03.08.2007

Wenn von Zertifizierung (aktuell die Palmölzertifizierung) gesprochen wird, folgt im Anschluss immer die Frage nach der Nachhaltigkeit und der Energieversorgung. In der Regel ist ein schonender Umgang mit der natürlichen Umwelt, gerechte Verteilung des Wohlstandes sowie eine menschliche Gestaltung der Lebensgrundlage für uns Menschen gemeint. Gemeinsam müssen

  • ökonomische
  • soziale und
  • ökologische Aspekte

zusammen in Einklang gebracht werden. Nachhaltigkeit wurde erstmals auf der „Rio-Konferenz“ 1992 von der Brundtland-Kommission definiert:

Nachhaltige Entwicklung befriedigt die Bedürfnisse der heutigen Generation, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihre eigenen Lebensstile zu wählen.

Entsprechend der Leitlinien zur weltweiten Nachhaltigkeit der Energieversorgung sind die Mindestanforderungen wie folgt aufgeführt:

Definitionen und Leitlinien für eine weltweite nachhaltige Energieversorgung

Zugang und Verteilungsgerechtigkeit für alle

Für alle Menschen sind vergleichbare Chancen des Zugangs zu Energieressourcen und zu Energiedienstleistungen zu gewährleisten.

Ressourcenschonung

Kommenden Generationen ist die Nutzungsmöglichkeit für die verschiedenen Energieressourcen offen zu halten oder es müssen vergleichbare Optionen der Bereitstellung von Energiedienstleistungen geschaffen werden.

Umwelt-, Klima- und Gesundheitsverträglichkeit

Die Anpassungs- und Regenerationsfähigkeiten natürlicher Systeme (der “Umwelt”) dürfen durch energiebedingte Emissionen und Abfälle nicht überschritten werden. Gefahren für die menschliche Gesundheit – etwa durch Akkumulation problematischer Schadstoffe – sind zu vermeiden.

Soziale Verträglichkeit

Bei der Gestaltung von Energieversorgungssystemen ist zu gewährleisten, dass allen Betroffenen die Teilhabe an den jeweiligen Entscheidungsprozessen möglich ist. Die Handlungs- und Gestaltungsspielräume von wirtschaftlichen Akteuren bzw. von Gemeinwesen dürfen durch diese Systeme nicht eingeengt werden, sondern sind möglichst zu erweitern.

Risikoarmut und Fehlertoleranz

Die bei der Energieerzeugung und -nutzung unvermeidlich auftretenden Risiken und Gefahren sind zu minimieren sowie in ihrer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung zu begrenzen. Bei ihrer Bewertung sind auch fehlerhaftes Verhalten, unsachgemäße Handhabung, mutwillige Zerstörung und Missbrauchsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Umfassende Wirtschaftlichkeit

Energiedienstleistungen sollen – in Relation zu anderen Kosten des Wirtschaftens und des Konsums – zu vertretbaren Kosten bereitgestellt werden. Das Kriterium der “Vertretbarkeit” bezieht sich dabei zum einen auf die im Zusammenhang mit der Energieerzeugung oder -nutzung entstehenden einzelwirtschaftlichen Kosten, zum anderen auch auf die gesamtwirtschaftlichen Kosten unter Berücksichtigung der externen ökologischen und sozialen Kosten.

Bedarfsgerechte Nutzungsmöglichkeit und dauerhafte Versorgungssicherheit

Die zur Befriedigung von Bedürfnissen erforderliche Energie muss dauerhaft, in ausreichender Menge sowie zeitlich und räumlich bedarfsgerecht zur Verfügung stehen. Dies verlangt eine hinreichend diversifizierte Energieversorgung, um auf Krisen reagieren zu können und um Handlungsspielräume für die Zukunft zu erhalten bzw. zu vergrößern. Auch sind leistungsfähige und flexible Versorgungsstrukturen zu schaffen und aufrecht zu halten, die gut mit den bestehenden Siedlungsstrukturen harmonieren.

Internationale Kooperation

Die Weiterentwicklung von Energiesystemen soll durch Verknappung von Ressourcen bedingte Konfliktpotenziale zwischen Staaten vermindern bzw. beseitigen und ihre friedliche Kooperation durch gemeinsame Nutzung der jeweiligen Fähigkeiten und Potenziale fördern.

Durch diese acht Leitlinien muss ein System angepasst werden, das der nachhaltigen Energieversorgung nahe kommt. Für eine Umgestaltung der Energieversorgung in die genannte Richtung gibt es drei zentrale Strategieelemente die in der Nachhaltigkeitsdiskussion mit Effizienz, Konsistenz und Suffizienz bezeichnet werden. Nähere Erläuterungen zeigt der folgende Text. Keine dieser drei Strategien kann für sich alleine dominieren, um der erfolgversprechendste Weg zu sein. Vielmehr ergänzen sie sich und führen in einer engen Wechselwirkung gemeinsam zum gesteckten Ziel:

Strategieelement Effizienz

Gewünschte Energiedienstleistungen sind z. B. ein angenehmes Raumklima, warmes Wasser, ein beleuchteter Raum, funktionsfähige Maschinen oder die Möglichkeit der Fortbewegung von A nach B. Vom Energierohstoff zur Dienstleistung durchlaufen die Energieträger mit Verlusten behaftete Wandlungsschritte. Diese Verluste können nach heutiger Erkenntnis mit intelligenter Technik und gutem Energiemanagement noch erheblich reduziert werden. Neben einer wesentlich rationelleren Energiewandlung bzw. -verwendung in allen Aggregaten und Geräten gehört auch die Vermeidung von Energieeinsatz (z. B. starke Verminderung des Energieverbrauchs der Raum- heizung durch sehr gute Wärmedämmung) und der Ersatz von hochwertigen durch weniger “wertvolle” Energieträger dazu. Beispielsweise kann der Einsatz des “edlen” Energieträgers Strom in Elektroheizungen überflüssig gemacht werden, indem die Abwärme der Kraftwerke durch Kraft-Wärme-Kopplung zur Beheizung genutzt wird.

Strategieelement Konsistenz

Wegen des Verbrauchs fossiler und nuklearer Energierohstoffe und der Ablagerung der Abfallprodukte in die Umwelt ist das derzeitige Energiesystem “offen”. Auf längere Sicht nachhaltig sind jedoch nur Energiesysteme mit “geschlossenen” Materieströmen, die Energie weitgehend ohne Rohstoffverbrauch bereitstellen oder die es erlauben, die entsprechenden Materialien in den Kreislauf zurückzuführen. Energiesysteme, welche die natürlichen, durch Sonnenenergie, Gravitation und Erdwärme angetriebenen Energiekreisläufe “anzapfen” und daraus zeitweise geringe Bruchteile entnehmen, kommen diesem Ideal sehr nahe. Bezüglich der Energieströme sind auch diese Systeme offen, weil Sonnenstrahlung von außen zugeführt wird. Die in den Anlagen gebundenen Materialien können wie bei anderen Gütern in großem Umfang wieder verwertet werden, da sie nicht kontaminiert sind; Energieträger werden nicht “verbraucht”.

Strategieelement Suffizienz

Die Höhe des Energieeinsatzes hängt auch von Lebensstilen und Konsumgewohnheiten ab. Ändern sich menschliche Aktivitäten und Bedürfnisse, etwa im Freizeitverhalten, so kann dies erheblichen Einfluss auf den resultierenden Energieverbrauch haben. Die Skala des eigenverantwortlichen Handelns ist dabei sehr groß, sie kann von bewusstem Verzicht auf energieintensive Produkte oder übertriebene Mobilität bis zur klugen Auswahl von Nahrungsmitteln oder Verkehrsmitteln reichen. Aus der Erkenntnis, dass die eingefahrenen Gewohnheiten nach “immer weiter, immer schneller, immer mehr” auf Dauer nicht mit Nachhaltigkeitsbestrebungen vereinbar sind, könnte speziell in den Industrieländern ein Wertewandel großen Einfluss haben, der sich stattdessen ein “lieber besser leben als mehr haben” zum Ziel setzt.

Eine Energienutzung ist nachhaltig, wenn sie eine ausreichende und dauerhafte Verfügbarkeit von geeigneten Energieressourcen sicherstellt und zugleich die negativen Auswirkungen von Energiebereitstellung, -transport und -nutzung begrenzt.

Bezüglich der Erneuerbaren Energien und des Naturschutzes ist noch zu erwähnen, dass der ökologisch optimierte Ausbau der Erneuerbaren Energien auch den Erhalt der biologischen Vielfalt, des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes sowie den naturverträglichen Hochwasserschutz sicherzustellen hat.

Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Referat für Öffentlichkeitsarbeit: Erneuerbare Energien- Innovation für die Zukunft, Seite 8+9, 17+18, 36; 6. Auflage April 2006